Sven Wiebers – ein Berliner Maler
Die Bilder des Berliner Malers Sven Wiebers vermitteln weit mehr als nur traditionelle Malerei auf Leinwand. Sie überzeugen durch ihre Atmosphäre, ihren Raum und besonders ihr Licht. Das Licht und die farbliche Intensität der Werke lassen sich, motivisch zwar gänzlich anders besetzt, in Meisterwerken des ausgehenden Mittelalters und der Renaissance erfahren, unter anderem in Gemälden venezianischer Maler aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Viele von uns haben auf Reisen das Licht der Länder des mediterranen Raums sehen und genießen können. Dieses südliche Licht hat Künstler schon immer fasziniert und sie reisten unter beschwerlichsten Umständen monatelang nach Italien und suchten die Inspiration, die letztendlich eine neue Ära der mittelalterlichen Malerei in Mitteleuropa haben heran brechen lassen.
Auch Sven Wiebers reist gerne und häufig, in den Süden, nach Frankreich, nach Italien, in die Türkei oder in Großstädte – was im 21. Jh. einfach und schnell möglich ist – um sich Inspirationsquellen für seine Motive zu holen. Dass einem der Gedanke an Malerei längst vergangener Zeiten in den Sinn kommen kann, hat einen triftigen Grund: Sven Wiebers hat eine Ausbildung zum Restaurator genossen und erarbeitete sich die Techniken der altmeisterlichen Malerei in langjährigen Studien. Dabei hat er auch das ganz exakte Hinsehen gelernt, das bei der Gemälde- und Skulpturrestaurierung eine wesentliche Grundlage darstellt und auch in seinen aktuellen Werken eine Hauptrolle spielt.
Kein einziger Bestandteil dieser Gemälde wirkt zäh, klebrig oder pastos, da Wiebers mit feinen Valeurs und in hauchdünnen transparenten Schichten einer jeden Lasur seine Motive zu einem atmosphärischen Ganzen verbindet. Wie die Maler des Mittelalters arbeitet sich Wiebers von einem tiefdunklen Grund zum Licht und somit zur Körperlichkeit und malerischer Leichtigkeit vor. Atmosphäre, Plastizität und Stofflichkeit wirken absolut überzeugend.
Die üppigen Valeurs täuschen Darüber hinweg, dass die Grundpalette des Künstlers extrem klein ist. Er arbeitet neben Schwarz und Weiss ausschließlich mit den drei Grundfarben Cadmiumgelb, Preussisch Blau und Cadmiumrot. Das bedeutet, dass in altmeisterlicher Manier alle Zwischentöne, alle Nuancen angemischt werden müssen. Man kann sich dies als äußerst aufwendiges Verfahren vorstellen und Sven Wiebers’ hohen Zeitaufwand zum Malen dieser Bilder besonders wegen seines hohen Anspruchs auf Akkuratesse ermessen. Er verwendet daher kein Öl- sondern Acrylfarben, da die Trocknungsprozesse der einzelnen Lasurschichten schneller vonstatten gehen. Verständlich, gerade wenn man die Formatgrößen sieht und die Detailfreude des Malers beobachtet. Sein malerisches Können, seine Genauigkeit, die Details und die leuchtkräftigen Farben lassen die Bilder wie Fenster der jeweiligen Szenen anmuten. Auch kann man verstehen, dass solche Gemälde nicht in der freien Natur sondern im Atelier entstehen. Hierbei dient die Fotografie Wiebers als Erinnerungsmedium und ist neben verschiedener Pleinair-Skizzen Motivgrundlage für seine Werke.
Der Themenschatz von Sven Wiebers wechselt zwischen meist menschenleerer Landschaft und urbanen, teilweise mit Figurationen versehenen Motiven, zwei Gegensätze, die unsere Welt widerspiegeln: Stille Natur und geschäftiges Treiben in der Stadt.
Seine virtuosen, poetischen Spieglungen entrücken die Natur noch weiter als sie es in einem gemalten Bild eh schon ist. Das optische Wunder der Wasserspieglung zeigt etwas Ungreifbares, eine Momentaufnahme, eine Millisekunde, und regt unsere Vorstellungskraft an, den Zustand zu begreifen und zu definieren. Unser Umgang mit dem Abbild, dem Ikon, sein Bezug zur Realität und seine malerische Interpretation ist weites Themenfeld und Wiebers stellt in der Themenwelt seiner Malerei ausschließlich individuelle Eindrücke unseres sichtbaren Kosmos dar.
Stilistisch finden sich in Sven Wiebers Werken Merkmale des Impressionismus (der maßgeblichen Stilrichtung Ende des 19. Jh., deren hauptsächliches Gestaltungsmittel die Farbe war und die Licht und Atmosphäre malerisch neu definieren) und des Fotorealismus (in minutiöser Übereinstimmung entstanden diese Gemälde als Faksimiles fotografischer Vorlagen in den 70er Jahren des 20. Jh.). Seine handwerkliche Grundlage ist zudem, wie eingangs genannt, eher von altmeisterlicher Manier, um nochmals den kunstgeschichtlichen Hintergrund anzusprechen. Hierzu sei ebenfalls auf die Vedutenmalerei hingewiesen. Betrachtet man sich die Bilder aus der Ferne, mag man kaum an Malerei denken, aus der Nähe geben sie viel vom subtilen Duktus des Malers Peis.
Zu Beginn seiner malerischen Tätigkeit widmete sich Wiebers der Abstraktion, musste jedoch bald feststellen, dass er dabei nicht den individuellen Ausdruck erzielte, den er sich wünschte. Danach wandte er sich mit größer werdendem Erfolg der gegenständlichen Welt zu und entwickelte eine eingängige Form der Landschafts- und Stadtlandschaftsmalerei. Wiebers denkt beim Anlegen der Bilder in abstrakten Flächen (ein Relikt aus seiner Frühphase) und macht diese zu seinen Kompositionsgrundlagen. Er tendiert zu extremen Querformaten, manchmal zu Hochformaten: Die Form des Bildes an sich und die Binnenformen im Bild sind ihm extrem wichtig. Dies und seine hohe Präzision sind Merkmale, die seinen Gemälden individuellen Ausdruck und seiner Handschrift Authentizität verliehen.
Wiebers Gemälde sind Fenster zu einer Bildwelt: Unser Auge vervollständigt das, was wir in unserem Erfahrungsschatz bereithalten und erkennen. Es sind keine chiffrierten Botschaften, die Wiebers virtuos und minutiös malt, es sind Panoramen, Filmstreifen, Augenblicke, Ausschnitte. Sven Wiebers Impetus ist es den Naturalismus des urbanen Lebens und die Natürlichkeit der Landschaft auf seine Weise zu interpretieren, aber nicht neu zu erfinden. Anhand seiner Detailtreue lässt sich die Lust des Vollblutmalers erkennen, mit der er uns seine und zugleich unsere Welt näher bringen will.
Barbara Leicht MA
Kuratorin des Kunstmuseums Erlangen